Uwe Hans-Joachim Wilken (1937 - 2001)
war einer der bekanntesten deutschen Westernautoren. Es gab kaum eine Westernserie bzw. -reihe, in der er nicht vertreten war. Der Name U.H Wilken steht für Action, Spannung und einen sehr markanten Schreibstil. Seine Romane begeisterten Alt und Jung.

Am 22. Januar wäre U.H . Wilken 80 Jahre alt geworden. Um sein Werk auch nachfolgenden Generationen zugänglich zu machen, startet die Edition Bärenklau in Kürze mit der Veröffentlichung der Romane, die er für verschiedene Serien des Marken Verlages geschrieben hat. TEXAS-WOLF, TEXAS-MUSTANG, BRADDOCK, CIRCLE C-RANCH UND ROY MATLOCK - in all diesen Serien wird es bald U.H Wilken - Romane geben, und eine kleine Auswahl von Einzelromanen, die ich schon vor etlichen Jahren gerne gelesen habe.
Die Edition Bärenklau bedankt sich an dieser Stelle nochmals bei Detlef und Frank Wilken, den Söhnen des Autors, die uns im Laufe der nächsten Wochen und Monate umfangreiches biografisches Material zur Verfügung stellen werden.
Den Anfang macht ein Artikel aus der BILD-Zeitung von 1967. Und in Kürze präsentieren wir dann auch das Titelcover des ersten Romans.

Der Name U.H.Wilken gilt in der Riege der deutschen Westernautoren als Garant für spannende Unterhaltung. Wann sind Sie und ihr Bruder Frank zum ersten Mal mit dem Genre Western in Berührung gekommen?

 

 

 

Ich selbst bin Jahrgang 1964, mein Bruder Frank wurde 1969 geboren, er kam also zur Welt, als das Western-Genre in Buch und Film schon richtig "boomte" und die Romane meines Vaters bereits in Millionenauflagen erschienen. Die Jahre davor waren immer noch "Gründerjahre": sie waren geprägt durch den Aufbau der noch jungen Bundesrepublik und den sich in den frühen 60ern anschließenden Wirtschaftsboom. Lange bevor ich lesen konnte, erzählte mein Vater mir abends vor dem Schlafengehen eine "Gute Nacht-Geschichte". Die Geschichten handelten von stolzen Adlern, von mächtigen Bären, von schlauen Hasen, Füchsen und Wölfen, von ich-weiß-nicht-was. Jeden Abend gab es eine neue spannende Geschichte. Er war ein geborener Geschichtenerzähler.

 

Später als ich zur Schule kam und lesen lernte, "erbte" ich die alten Karl May-Bücher meines Vaters. Sie waren völlig zerlesen und das Papier roch vergilbt. Winnetou und Old Shatterhand waren wahrscheinlich die ersten Helden des Western-Genres, die ich kennengelernt habe. Als Kinder spielten wir natürlich "Cowboy“ und „Indianer" und durften uns auch den einen oder anderen Western im Fernsehen ansehen, Filme wie "High Noon" oder "Weites Land". An geeigneten „Requisiten“ wie alten Colts, Rifles, Stetsons usw. mangelte es nicht. Irgendwann mit 10 oder 11 Jahren las ich erstmals auch die Romane meines Vaters und war gefesselt. Das waren Romane wie "Einst wirst Du mich hassen, Chato", „Little White Man“ und die "Dan Oakland-Story". Ich konnte es gar nicht abwarten, bis das nächste Heft der Dan Oakland-Story endlich, noch als Belegexemplar verpackt, auf dem Schreibtisch meines Vaters landete.

 

 

 

Wie haben Sie Ihren Vater in Erinnerung, als er seine Romane schrieb? Wie und wo hat er das getan, und unter welchen Bedingungen hat er gearbeitet? Wie muss man sich zum Beispiel einen Arbeitstag Ihres Vaters vorstellen? Klassisch mit Kaffee und Zigaretten mit festem Arbeitspensum, oder nachts ungestört schreibend? Wie recherchierte er für seine Romane, und wie hat ihn die Familie erlebt?

 

 

 

Unser Vater ist täglich - auch am Wochenende - um 5 Uhr aufgestanden, manchmal früher. Um sechs Uhr spätestens saß er an der Schreibmaschine, es roch dann tatsächlich nach frischem Kaffee, durch den Türschlitz begann sich - erst verhalten, dann immer dichter ein nie versiegender Strom von blauem Zigarettenrauch im Haus zu verbreiten. Ein unablässiges, hämmerndes Stakkato tack-tack-tack hatte eingesetzt und erfüllte bis zum „High Noon“ das Haus. Erst wenn die Tastatur der schweren, mechanischen Adler-Schreibmaschine für einen sehr langen Zeitraum stillgestanden hatte, durfte man eintreten. Die Luft war zum Schneiden dick, Zigarettenqualm waberte wie Pulverdampf durchs Zimmer, im Gegenlicht des großen Fensters konnte man die Silhouette unseres Vaters nur vage ausmachen. Ich sehe ihn am Schreibtisch sitzen und mit seiner prägnanten Handschrift schnell noch einige Notizen machen...

 

Nach dem Mittagessen legte mein Vater sich aufs Ohr oder er ging in den großen Garten hinaus und spielte mit dem Hund. Er liebte Tiere. Gegen 14:30 Uhr schrieb er dann weiter. Um 18 Uhr war „Feierabend“ was in seinem Fall hieß, dass er noch Korrekturen machte. Häufig arbeitete er konzeptionell, dachte (halblaut) nach über Figuren, Handlung, ja, recherchierte zum Beispiel in seinem großen Fundus von Fachliteratur. Eines dieser Bücher war "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" von Dee Brown, ein anderes ein spannender Reisebericht des französischen Abenteurers und Historikers Alexis de Tocqueville, der um 1831 den Westen bereist hatte.

 

Unser Vater saß manchmal spät abends beim Schein seiner Schreibtischlampe, ganz versunken über seinen Notizen, brütete über einer seiner alten amerikanischen Landkarten, rauchte seine Pfeife zu einem Glas Kentucky Bourbon.

 

Er war ein hervorragender Kenner des Landes und seiner Geschichte. Die Staaten hatte er - anders als Karl May - intensiv kennen gelernt und bereist, als er während seiner Militärzeit auf dem Bundeswehr-Luftwaffenstützpunkt in Fort Bliss/Texas stationiert war. Er nutzte jeden freien Tag, um das Land noch intensiver zu studieren. Viele seiner Erfahrungen in Los Angeles und San Francisco ließ er direkt in die Krimis einfließen, die er damals schrieb, Romane wie „Mörder im Minirock“ oder „Heißer Sommer, Kalter Mord“.

 

 

 

U.H.Wilken war ja nun ein Autor, der lange vor dem Computerzeitalter Western geschrieben hat. Was zeichnete seine Arbeitsweise dabei besonders aus und was unterschied sie von der heutiger Autoren?

 

 

 

Manche heutige Autoren sagen, dass das Computerzeitalter, sprich: IBooks, IPads, das Internet, hätte alles verändert. Paradoxerweise sei das „richtige“ Schreiben zu „schwer“ geworden, weil es so „leicht“ geworden sei, Bücher zu schreiben. Die Möglichkeiten des Editierens mit modernen Textverarbeitungsprogrammen und der Recherche sind ja bekanntlich endlos. Unser Vater musste, bevor er zu tippen anfing, sehr genau wissen, wie der Satz weiter unten auf der Seite enden sollte, sonst konnte alles schnell in einem Fiasko aus Korrekturstreifen enden. Bei der hohen Produktivität unseres Vaters - mit weit über 600 Romanen in Millionenauflagen und Übersetzungen auf der ganzen Welt - sogar in China und Israel - wäre es kaum sinnvoll gewesen, alles per Hand vorzuschreiben.

 

 

 

Was hat sich nicht verändert?

 

 

 

Das Bedürfnis nach Geschichten und Mythen. Und die Bereitschaft von Autor und Leser, sich auf eine spannende „Mission“ mit ungewissem Ausgang zu begeben. Am Ende haben beide - Autor und Leser - zusammen mit dem Helden - einiges durchgemacht und schauen - wenn die Story gut war - mit ganz anderen Augen auf die Welt.

 

 

 

Kritiker sagen, dass ein Autor eine besondere Klasse hat, wenn man ihn an seinem Schreibstil erkennt. Das trifft auch auf U.H.Wilken zu. Ich erinnere mich an zahlreiche Settings, die oft Italo-Western glichen. Aber auch mit historischem Hintergrund - alles mit dieser äußerst bildhaften und dennoch knappen, fast harten Sprache. Wie sehen Sie das rückblickend?

 

 

 

Das ist zutreffend: unser Vater hatte ein ausgeprägtes Gefühl für Stil, für den „Sound“. Er wusste einfach, wie man etwas beschreiben musste, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Seine Inspirationsquellen lagen dabei ebenso im Kinofilm, wie in der amerikanischen Literatur. So haben zum Beispiel Jack London, James Fenimore Cooper und B. Traven einen gewissen Einfluss auf ihn ausgeübt. Filme aber wie Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" oder „Der Mann, den sie Pferd nannten“ haben ihn teilweise stärker beeinflusst.

 

Er war immer ein großer Kinogänger und schaute sich als junger Mann manchmal drei Filme hintereinander an. Wenn man sich mit ihm über die Filme von John Ford, Fred Zinnemann oder William Wyler unterhielt, bekam man das Gefühl, er wisse besser als der Regisseur oder der Cutter, wie bestimmte Szenen gedreht wurden. Sein Augenmerk richtete sich dabei oft auf scheinbar nebensächliche Dinge, wie das Geräusch des Windes, der sanft über das Steppengras streicht, während in der weiten Ferne ein Baby schreit, oder das Herannahen von Hufgetrappel, das man lange hörte, bevor die Reiter auf der Bildfläche erschienen. Er konnte imitieren wie es sich anhörte, wenn ein Mann eine knarrende alte Stiege in einem leeren Haus hinauf schlich und dabei versuchte, keine Geräusche zu machen. Diese Dinge wirkten subtil auf den Leser, noch bevor das Denken einsetzte. Daher verwendete er gezielt Bilder, Geräusche, den Lichteinfall, eben Techniken, die man beim Film findet. Das unterschied ihn von Anfang an deutlich von anderen Autoren. Sogar in den Stories, die er für Jugendzeitschriften geschrieben hat, erkennt man bereits in Ansätzen den unverwechselbaren, telegrammhaften U.H. Wilken-Stil.

 

 

 

Wie war der Einstieg Ihres Vaters damals, und wie ist er vorgegangen, um in diesem Genre Fuß zu fassen?

 

 

 

Er hat einmal gesagt: „Der Weg lag plötzlich vor mir. Ich ging ihn ohne zu zögern.“ Ich denke, er hatte sie einfach in sich, die Geschichten, die Figuren, diese endlose Weite der Great Plains, jenes Amerika der grenzenlosen Horizonte und Möglichkeiten, das vielleicht nur in der Seele des Menschen wirklich existiert. Letztlich war es diese Sehnsucht nach dem unentdeckten Amerika, die unseren Vater antrieb. Er hat sich nie die Frage gestellt, wie er in diesem Genre „Fuß fassen“ könnte. Er hat einfach die Tür aufgemacht und die Dinge getan, die er tun musste. Nachdem ein gutes Dutzend Manuskripte abgelehnt worden war, erkannte der Paul Feldmann-Verlag sein Talent damals sofort und gab damit den „Startschuss“ für diese beeindruckende Erfolgsstory.

 

 

 

Es gibt ganz viele Einzelromane, und in einigen tauchte immer wieder der Name CHEYENNE auf. Was können Sie dazu sagen - und warum hat es bis heute kein Verlag möglich gemacht, dass eben diese CHEYENNE-Romane in einer einzigen Serie erschienen sind?

 

 

 

Die Cheyenne-Saga ist sozusagen ureigenstes U.H. Wilken-Terrain. Cheyenne war für unseren Vater - wie auch Dan Oakland - etwas ganz besonderes. Nie hörte er auf, von ihm zu erzählen. Cheyenne war der große unbekannte Fremde, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte. Ein wenig wie unser Vater selbst, der bei Pflegeeltern aufgewachsen ist und bis in die frühen Erwachsenenjahre nicht wusste, woher er eigentlich kam, wo seine wahren Wurzeln lagen. Cheyenne war in gewisser Weise ein Teil von ihm selbst.

 

Immer wieder kam er auf diese Figur zurück, ohne dass anfangs das Projekt einer Serie im Raum stand. Leider erschienen die Romane daher tatsächlich sehr verstreut und in größeren zeitlichen Abständen in allen möglichen Heftreihen. Wegen des Cheyenne-Projektes korrespondierte unser Vater später sehr ausführlich mit verschiedenen Verlagen, er entwarf sogar Titelbilder und Schriftzüge für eine große Cheyenne-Romanreihe. Leider reichte sein sonst sehr langer Atem dieses Mal nicht aus, um das Vorhaben erfolgreich auf den Weg zu bringen. Die Verlage trauten sich aus irgendwelchen Gründen nicht ran an die Sache.

 

 

 

Eine weitere Serie war ZURDO - DER SCHWARZE GEISTERREITER, die in der Reihe Marshal Western des Pabel Verlages erschien. Für mich eine besonders gute Serie mit vielen Alleinstellungsmerkmalen. Wie kam es zur Entstehung dieser Romane und des Konzeptes?

 

 

 

Die Idee stammte von unserem Vater. Er hatte ein Faible für Errol Flynn und Gregory Peck. "Der Graf von Monte Christo" und "Die drei Musketiere" waren Filme, die er sich immer wieder gerne ansah. Er liebte die Fechtszenen, die waghalsigen Sprünge und Finten aus den Mantel- und Degen-Romanen. Und er hatte einen ausgesprochenen Sinn für hintergründige Komik und schlagfertige Dialoge.

 

Zorro war im Grunde eine Figur, die er am liebsten selbst erfunden hätte. ZURDO war für ihn d i e Möglichkeit, diese frühe Leidenschaft für den Mantel- und Degenroman von Spanien nach Mexiko und damit in unmittelbare Nähe zu seinen bisherigen Handlungsorten zu verlegen. Er wagte damit sozusagen in zweifacher Hinsicht den "Sprung" über Grenzen, lokal und genretechnisch. Dabei standen für ihn diesmal eher der Spaß und eine fast kindliche Freude am Thema im Vordergrund. Aber auch das Schicksal der Mexikaner, denn Trump hatte leider eine ganze Reihe von „Vorläufern“ in der nicht immer ganz so „glorreichen“ amerikanischen Geschichte.

 

 

 

Auch DAN OAKLAND darf nicht unerwähnt bleiben. Sicherlich das umfangreichste Werk Ihres Vaters. Die Romane spielten vor einer interessanten historischen Kulisse und gelten auch heute noch als herausragend. Erzählen Sie uns doch bitte Ihre Eindrücke dazu bzw. was diese Romane für einen Stellenwert in den Augen Ihres Vaters hatten.

 

 

 

Die Dan Oakland-Story war ein ganz besonderes Projekt, das die Grenzen dessen sprengte, was gerade für den relativ dimensionalen Western seit Karl May kennzeichnend gewesen war: Das waren einfache, in sich abgeschlossene „plots“ mit einem vergleichsweise begrenzten Repertoire von Figuren und Handlungsebenen. Die historischen Bezüge waren oft erfunden und entsprachen nicht im geringsten der weitaus differenzierteren historischen Realität. Es war seine Intention, dies nachhaltig zu korrigieren.

 

Sehr aufwändige historische, ethnologische und geographische Recherchen gingen dem Dan Oakland-Projekt voraus. Mein Vater nahm Kontakt zu amerikanischen Universitäten und den Amerikahäusern in Hamburg und Berlin auf. Die Universität von Wisconsin, onnecticut bat unseren Vater damals um die Erlaubnis, ausgewählte Kapitel in Kolleg- und Studienbüchern abdrucken zu dürfen. Im Gegenzug erhielt mein Vater nahezu unbegrenzten Zugriff auf historische Quellen, Studien- und Forschungsberichte, Landkarten usw.

 

Die Dan Oakland-Saga war von Anfang an als eine Art historischer Roman über die Pionierzeit angelegt, eine Art Romanzyklus, der nicht nur von Trappern und Indianern handeln sollte, sondern der alle Aspekte der Gründungsphase der USA am Beispiel der Geschichte eines Helden erzählen sollte, der aufgrund der besonderen Umstände seiner Herkunft „zwischen Weiß und Rot stand“. Ich glaube, ein solches Romanprojekt hat es (wir sprechen immerhin von 82 Romanen) noch nicht einmal in der amerikanischen Literatur gegeben.

 

 

 

Während der Pabel- und Zauberkreis-Ära war Ihr Vater auch für den Marken Verlag tätig und hat dort in fast allen Western- und Abenteuerserien Romane veröffentlicht. Hier arbeitete er eng mit dem Chefredakteur Werner Dietsch (Glenn Stirling ) zusammen, dessen Romane ja auch komplett bei der Edition Bärenklau erscheinen. Erinnern Sie sich noch an Details dieser Zusammenarbeit, und wie persönlich / konstruktiv war sie?

 

 

 

Die Zusammenarbeit mit Werner Dietsch war von Freundschaft und gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Beide telefonierten regelmäßig miteinander. Dabei wurde viel gescherzt und gelacht, aber auch sehr konzentriert über die gemeinsamen Projekte oder neueste Entwicklungen auf dem Verlagsmarkt gesprochen. Es war ein kontinuierlicher Austausch; beide besuchten sich regelmäßig.

 

 

 

Nach der Schließung des Marken Verlages wurde es still um den Autor U.H.Wilken (bis auf einige regelmäßig erscheinende Nachdrucke bei verschiedenen Verlagen - aber neue Romane gab es leider nicht mehr). Man liest in einigen Foren, dass er sich von den Verlagen ausgebeutet fühlte und deswegen nichts Neues mehr schreiben wollte. Wie haben Sie das damals erlebt, und war das "Nicht mehr schreiben wollen" für Ihren Vater eine große Veränderung? Wie kam er damit zurecht?

 

 

 

Ja, er selbst hat das Wort „ausgebeutet“ einmal in einem Interview benutzt. Allerdings zielte das wohl eher darauf ab, auf die Situation der nachwachsenden jungen Autoren aufmerksam zu machen, die noch viel geringere Honorare erhielten, als die renommierten Autoren, wie unser Vater einer war. Diese Entwicklung drohte damals den ganzen Markt „kaputt“ zu machen, sprich: die Verhandlungsposition der Autoren im allgemeinen zu schwächen. Er weigerte sich, von den Verlagen wie ein anonymer „Lohnschreiber“ behandelt zu werden.

 

Einmal rief ein neuer „Lektor“ an und wollte mit ihm über seinen „Text“ reden. Mein Vater sagte dem Lektor sehr deutlich, er schreibe keine „Texte“. „Texte“ waren für ihn etwas, womit sich „Werbeagenturen“ befassten oder „Schülerzeitungen“. Damals zog eine gewisse Anonymität und „Rechenschieber“-Mentalität“ in die Verlagswelt ein, die zuvor noch von großen Verlegerpersönlichkeiten wie Gustav Lübbe vom Bastei Verlag geprägt gewesen war. Diese hatten stets auch den persönlichen Kontakt zum Autor gehalten.

 

An den Lektor Herrn Kraft vom Zauberkreis-Verlag, mit dem er über viele Jahre sehr freundschaftlich verbunden war, schrieb unser Vater einmal: „Wenn ich mit dem Schreiben beginne, versetze ich mich in diese Welt - und dann kann alles mögliche passieren - aber Sie, Herr Kraft, haben ja einen schönen dicken Rotstift!“ Er sah das Ganze also durchaus auch mit etwas Humor.

 

Was unseren Vater Anfang der 80er Jahre allerdings tatsächlich aus der Bahn geworfen hat, ja, ihn fast das Leben gekostet hätte, waren Alkohol, Zigaretten und die Trennung unserer Eltern. Seine bedingungslose Hingabe an das Handwerk des Schreibens begann, ihren Tribut zu fordern. Mein Vater hat später einmal erzählt, dass er zu dieser Zeit manchmal nicht wusste, ob die Sonne gerade auf- oder unterging, wenn er aufwachte. Dabei trank er nie, wenn er schrieb. Aber nach einer sehr intensiven Arbeitsphase von drei Monaten, zog er manchmal drei Wochen durch die Bars, um seine „Festplatte“ zu löschen, wie man heute vielleicht sagen würde. Er brauchte das in Abständen, um sich frei für neue Ideen zu machen und auch um in Kontakt mit Menschen und Geschichten zu kommen. Mitte der achtziger Jahre erlitt er einen schweren gesundheitlichen Zusammenbruch.

 

Als Konsequenz gab er das Schreiben auf. Er änderte seine Lebensweise und übersiedelte nach Spanien, um das Leben zu zelebrieren. Er kaufte sich ein abgelegenes Haus in den Bergen in der Nähe von Denia. Von seinem Arbeitszimmer aus konnte man zwischen zerklüfteten roten Felsen und großen Agaven in der Ferne das Meer sehen. Fast täglich fuhr er morgens mit seinem alten Jeep raus, um in der Brandung der Steilküste zu schwimmen. Oder er verbrachte die Nachmittage mit seinem Hund in den Cafés und Bodegas am Hafen. Später ging er nach Marokko.

 

 

 

Wie war der Mensch und Familienvater U.H.Wilken? Was war ihm wichtig, und an welche Episoden können Sie sich noch erinnern, die prägend in Ihrer Erinnerung bleiben werden?

 

 

 

Man konnte über unseren Vater sicherlich viel Positives sagen, nur nicht, dass er ein typischer Familienvater war. Ohne unsere Mutter hätte das alles sicher nicht „funktioniert“. Er war jedoch ein Freund für uns. Und er hatte etwas von dieser großartigen „larger-than-life“ -Qualität, die man nur ganz selten bei Menschen findet. Er war großzügig, humorvoll, dachte stets in großen Linien. Dabei hat er auch in den Jahren der größten Erfolge nie die „Bodenhaftung“ verloren. Er ging immer direkt und ohne Umschweife auf das Ziel zu, ohne sich mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten. Das sind vielleicht die Dinge, die uns wirklich geprägt haben.

 

Seine Menschenkenntnis war sehr beeindruckend. Keiner konnte ihm etwas vormachen. Ein „Gesellschaftsmensch“ war er nicht. Diese Dinge interessierten ihn nicht. Im Grunde ist er immer der Einzelgänger geblieben, der er schon als junger Mann war, ein Typ wie Gregory Peck oder Henry Fonda, die er beide sehr geschätzt hat. Er liebte das Leben und er hatte eine ganz besondere Beziehung zur Natur, zu den endlosen Weiten des amerikanischen Kontinents. Er liebte Pferde sehr.

 

Eine Episode, die vielleicht mehr über ihn aussagt, als viele Worte, erlebte ich mit ihm zu der Zeit, als er gerade nach Denia gezogen war. Er hatte mich gebeten, mir am Flughafen Alicante ein Taxi zu nehmen, weil sein alter Wagen gerade „Probleme“ machte. Unser Vater war damit über Frankreich und die Pyrenäen fast „non-stop“ nach Denia gefahren. Nachdem wir uns begrüßt hatten, führte er mich durchs Haus. Es war Anfang Januar und die große Hitze ließ noch auf sich warten. Die Fenster waren weit geöffnet und man hatte einen herrlichen Blick über das Land.

 

Wir hatten es uns gerade auf der Terrasse bequem gemacht, als mein Vater plötzlich ins Haus ging und mit zwei Gläsern Wein zurück kam. Er reichte mir eines davon und sagte: „ Darauf müssen wir jetzt trinken!“ Ich spürte, wie er genau meine Reaktion beobachtete. Er nahm einen Schluck von dem Wein, lachte etwas spitzbübisch und sagte: „Mmmm, nichtschlecht, aber mit dem Thema bin ich durch. Ich hatte einfach Lust, mit Dir anzustoßen; die restliche Flasche musst Du alleine trinken!“

 

 

 

Der Westernautor U.H.Wilken weilt ja nun leider nicht mehr unter uns - aber sein Name und seine Romane sind und bleiben eine feste Größe für Qualität und Spannung im deutschen Westerngenre. Was würden Sie sagen, warum eine neue Lesergeneration U.H.Wilken wieder neu entdecken sollte? Seinen treuen Fans muss man das nicht mehr sagen, die wissen ja, was sie beim Lesen erwartet. Aber was sollten neue Leser wissen?

 

 

 

Ja, sie sollten vielleicht wissen, dass es da einen großartigen Autor gegeben hat, der über Grenzen gegangen ist, auch über seine eigenen. Einer, der das „Amerika seiner Seele“ erforscht hat, um mit Knausgard zu sprechen. Und einer der kein „Papiertiger“ war, sondern der seine gesamte Lebenserfahrung in die Stories einfließen ließ, die von den Schattenseiten des Autorendaseins bis zu den Gipfeln des Erfolges reichte. Als junger Mann war unser Vater ein begeisterter Marathonläufer, der das Mittelfeld immer weit hinter sich gelassen hat. Ich glaube, das ist eine Qualität, die auch auf den Menschen und Schriftsteller zutrifft, der uns ein sehr, sehr umfangreiches Werk hinterlassen hat. Da gibt es noch zahllose „Schätze“ zu heben, die auf neue und alte Leser warten....

 

 

 

Zuletzt noch eine persönliche Bemerkung meinerseits: ich bin mit den Romanen von U.H.Wilken aufgewachsen und wusste seine spannenden Erzählungen schon zu meiner Schulzeit zu schätzen. Ich wünschte, ich hätte die Gelegenheit gehabt, ihn einmal persönlich kennen zu lernen. Ich glaube, es wäre ein sehr interessanter Gedankenaustausch geworden. Deshalb nochmals mein persönlicher Dank und Detlef und Frank Wilken, die es ermöglicht haben, dass es nun auch Western und Abenteuerromane von U.H.Wilken bei der Edition Bärenklau gibt. Der Verleger Jörg Martin Munsonius und ich als verantwortlicher Ressortleiter freuen uns schon sehr darauf.

 

c, Text und Bilder by Detlef & Frank Wilken / Edition Bärenklau, 2017

U.H.WILKEN WIRD UNSER WESTERNTEAM MIT SEINEN ZEITLOS SCHÖNEN WESTERN AB 2017 VERSTÄRKEN.

ausführlich berichten werden wir in den kommenden Wochen hier auf dieser Seite und bei Facebook.

Oben und unten - die Bild berichtet über den populären Westernautor auf einer ganzen Seite!

 

c, by "Bild" und Detlef & Frank Wilken / Edition Bärenklau, 2016