INTERVIEW MIT ROLAND HELLER

 

 

Jörg: Hallo Roland – nachdem wir uns ja in diesem Sommer in Tirol getroffen haben, kommt jetzt endlich auch ein Interview mit dir... Vielleicht stellst Du dich bitte mit der Vitae unseren Lesern vor, bevor wir ins Detail gehen.

 

Ich bin Jahrgang 1954. Geboren wurde ich in Feldkirch in Vorarlberg in Österreich. Dort verlebte ich auch meine Kindheit. Es war eine sorglose und schöne Zeit, die viel Freiraum für Entwicklung und die Möglichkeit, Verschiedenes auszuprobieren, ließ. Was es nicht gab zu dieser Zeit, waren Fernseher und Computer. Mein Vater konnte sich zur Anschaffung eines Fernsehers erst durchringen – aus pädagogischen Gründen, nehme ich an -, als ich bereits 13 Jahre alt war. Bis es also so weit war, hatte ich bereits eine Unmenge an Büchern verschlungen. Die Geschichten von Karl May boten nach ca. 30 Romanen eigentlich nichts Neues mehr, deshalb machte ich mich auf die Suche nach Alternativen, und dabei entdeckte ich den Heftroman. Ich las viel Mist, jedoch auch einiges, das mich regelrecht faszinierte. Das prägte meine Kindheit. Genau solche Geschichten wollte ich immer schreiben.

 

Mein erstes Studium führte mich nach Innsbruck. Das Studium der Pharmazie brach ich zwar bald ab, aber immerhin bekam ich dadurch eine Grundausbildung in den Naturwissenschaften - Physik und Chemie. Bald schon hatte ich während des Studiums entdeckt, dass meine Liebe eher zum geschriebenen Wort tendierte denn zur Naturwissenschaft.

 

Also wechselte ich nicht nur das Studium, sondern auch den Studienort. In Salzburg vertiefte ich mich in die Geheimnisse der Germanistik und Geschichte. Dort lernte ich auch meine Gattin kennen, mit der ich mir ein nettes Domizil geschaffen habe. Beide Töchter sind erwachsen und längst dahin, kehren aber immer wieder gern ins traute Heim zurück.

 

Ach ja, neben dem Schreiben unterrichte ich an einer Handelsakademie korrekte Korrespondenz und was man halt noch so im Fach Deutsch den "lieben Kleinen" ( ich unterrichte die Altersklasse 16 bis 20 und bis Unendlich – Erwachsene in verschiedenen Schultypen) beibringen sollte. Fehler bei anderen entgehen mir nicht, bei eigenen Texten bin ich manchmal betriebsblind.

 

Jörg: Wann hast Du angefangen mit dem Schreiben und gab es dafür einen bestimmen Grund?

 

Die tollsten Geschichten tummelten sich schon immer in meinem Gehirn herum und bereits während meiner Schulzeit entstanden die ersten Geschichten. Den eigentlichen Anlass bot allerdings ein Western, der vollkommen ohne Artikel und persönliche Fürwörter auskam und dementsprechend schwierig zu lesen war. "Das bringe ich auch zusammen", schoss es mir damals wohl durch den Sinn, denn am nächsten Tag lieh ich mir bereits die Schreibmaschine aus dem Büro meines Vaters aus.

 

Jörg: Was sind die Helden Deiner Jugend? Welche Bücher und Autoren haben Dich beeinflusst?

 

Die ersten Helden meiner Jugend erlebten ihre Abenteuer im Dschungel und in exotischen Ländern, namentlich Tarzan, aber auch Bomba. Beide beinhalteten stets phantastische Elemente. Die Jugendbücher, die Lehrer und Eltern empfahlen – Karl May, aber auch Erich Kästner – hatte ich bald verschlungen. Die öffentliche Bibliothek bot schließlich keine Anreize mehr. Comics (Schundliteratur) durfte man nur mit Taschenlampe unter der Bettdecke lesen und sich nicht erwischen lassen, denn dann war man das Heft los. Später besserte sich das zwar etwas,war aber immer noch nicht gern gesehen.

 

Mit 15, 16 Jahren entdeckte ich Jack Vance. Er zählt bis heute zu meinen Lieblingen mit seinen skurilen Geschichten. Er brachte mich zur Science Fiction, natürlich auch zu Perry Rhodan. Raumpatrouille im TV trug ebenfalls dazu bei, dass ich diesem Genre treu blieb. Daneben las ich mich jedoch auch quer durch die Weltliteratur. Besonders die Erzählweise vieler südamerikanischer Autoren gefiel mir und prägte meine literarischen Vorlieben. Das war die Zeit, in der ich alles erforschen wollte. Mit 17 hatte ich einen Großteil der Bibel, die Lehre Buddhas, den Koran, Hare Krischna, Bhagadvita u.ä. gelesen und wollte unbedingt vergleichender Religionswissenschaftler werdern, doch wie viele andere Moden verging auch diese.

 

Ich schätze besonders Heinrich Mann und Hermann Hess, aber auch Kurt Vonnegut. Alle kann ich heute noch neben mit Freude zur Hand nehmen – und auch all jene, die ich hier aus Platzgründen nicht nennen kann.

 

Neben diesen literarischen Werken entwickelte sich so etwas wie eine Hassliebe zum Heftroman. Die Western von Zane Grey verschlang ich regelrecht, ich glaube, ich habe alle gelesen, die es auf Deutsch gibt – und die Zahl der Romanhefte, wage ich mir gar nicht vorzustellen.

 

Jörg: Kino/TV/Serien?

 

Meine Eltern hatten, wie gesagt, erst relativ spät sich zu einem TV Gerät überreden lassen. Dafür bin ich gleich in das Farb-TV eingestiegen. Anfangs waren zwar noch die meisten Sendungen schwarz-weiß, aber das tat der Freude keinen Abbruch. Wir alle zuhause hatten ja das Gefühl, unendlich viele Fernsehstunden nachholen zu müssen.

 

Die SF-Serien begleiteten mich durch die Jugend, Raumpatrouille, Raumschiff Enterprise, Zeittunnel (Timetunnel) und UFO und auch die diversen Krimiserien.

 

Heute nutze ich das Fernsehgerät hauptsächlich, um mich informieren zu lassen. Die großen Kinofilme bewundere ich aber am liebsten in 3D in einem großen Kinosaal mit einer riesigen Leinwand. Ich kann immer noch mit den Geschichten mitleben. Die Comic-Adaptionen, speziell die Superhelden, sind wahrlich ein Fest für das Auge. Im Kino gehört meine Liebe aber eigentlich allen gut erzählten Geschichten abseits von irgendeinem Genregedanken.

 

Jörg: Du bist in der Edition einem kleinen aber interessierten Leserkreis bekannt durch Deine 10bändige Saga GONDAR – DIE GÖTTER DER URZEIT – erzähl doch bitte etwas über den Inhalt.

 

Die Welt von „Gondar“ ist eine typische Fantasy-Welt, in welcher der Kampf zwischen Gut und Böse, in diesem Fall zwischen Ordnung und Chaos, tobt. Die „Götter“ haben sich hier vor Urzeiten mit den Menschen vermischt. Jeder Mensch trägt einen Teil dieses Erbes in sich, und wenn bestimmte Erbmerkmale aufeinander treffen, kommt es erneut zur Geburt eines Gottes, der über Fähigkeiten verfügt, welche jene der Menschen übertreffen.

 

Das ist die Ausgangssituation. Die Herrschaft der Götter ist Vergangenheit. Der „Gott“ Soas träumt von der Rückkehr der alten Zeiten. In Mo prophezeit ein Seher die Geburt eines neuen Gottes, Gondar. Er soll zum Untergang des Reiches Mo beitragen. Der Herrscher von Mo will des Knaben habhaft werden, bevor die Prophezeiung sich bewahrheiten kann. So setzt er die folgenden Geschehnisse in Gang. Soas will die überlebenden Götter zu einer Kampfgemeinschaft formen.

 

Die Entwicklung dieser Gemeinschaft, die schlussendlich zum Untergang von Mo führt, bildet den roten Faden der zehn Romane. Eingeflossen sind zahlreiche Aspekte der Weltreligionen, ohne dass ich sie näher erläutert habe. Beispiel: Die Menschenopfer der Kulturen in Südamerika, oder auch der Beiname von Gondar in Arathen – Zeus, Grundzüge des Shinto-Glaubens in Japan u.v.m.

 

Es liegt mir fern, in Unterhaltungsromanen erzieherisch oder gar belehrend (als Lehrer mache ich das ja beruflich zwangsweise) zu agieren. Wer es erkennt, freut sich vielleicht über das eine oder andere Detail, für das Verständnis der Romane ist es aber absolut nicht nötig. Ich wollte spannende Geschichten verfassen, die inhaltlich etwas Neues bieten. Merkwürdigerweise ist die Resonanz der Leser auf entweder gut oder schlecht gepolt, der Mittelbau fehlt.

 

Jörg: Welche Rolle spielt die Fantasy in unserer hektischen/ kurzlebigen Zeit...?

 

Wir leben in einer Zeit der Individualisten. Für die Mehrheit gibt es nur mehr die „absolute Wahrheit“. Alles muss erklärbar sein, alles naturwissenschaftlich beweisbar sein. Der Spielraum für freie Möglichkeiten ist sehr schmal geworden. Die Frage „was wäre, wenn ...“ wird bereits schal betrachtet. Ich freue mich über jeden Menschen, der sich darüber hinwegsetzt und nach ungesicherten Wegen forscht. Gott sei Dank gibt es noch eine Reihe davon, denn unser wissenschaftlicher Fortschritt ist ja darauf angewiesen. Was auf den ersten Blick unlogisch erscheint, kann ungeahnte Perspektiven eröffnen.

 

Die Rolle der Fantasy für Fans kann in der Bestätigung liegen, sich von der Realität für kurze Zeit zu entfernen und sich den Träumen hinzugeben und vor allem zu akzeptieren, dass die eigene Gedankenwelt nicht die einzige Wahrheit ist.

 

Jörg: Was möchtest Du mit Deinen Büchern den Lesern vermitteln?

 

Ich verfolge keinen pädagogischen Auftrag. Wenn der Leser Spaß mit meiner Geschichte hat, bin ich vollauf zufrieden. Ich schreibe Geschichten, die ich als Leser gerne gelesen hätte. Wenn ich beim Schreiben feststelle, dass ich mich irgendwie „verrannt“ habe, höre ich mit dieser Geschichte auf und widme mich ihr vielleicht erst nach Jahren wieder. Was mir allerdings am Herzen liegt, und ich hoffe, das gelingt mir, ein offenes Weltbild zu vermitteln.

 

Jörg: Arbeitest Du an neuen Veröffentlichungen? Und wenn ja – was kannst Du uns schon mal verraten?

 

In Kürze (jetzt = Oktober 2019) wird sich mein berufliches Leben ändern, d.h., dass ich mehr Zeit dem Schreiben widmen kann. Mein neues Projekt ist eine abenteuerliche Reihe – „Welt der1000 Reiche“ -, in der ich all jene Gedanken in hoffentlich interessanten Geschichten unterbringen kann, die mir als veröffentlichenswürdig erscheinen. Anfangs handelt sie von der Suche eines Roboters nach einer Möglichkeit, seine Energieversorgung zu sichern, nachdem er auf diese Welt „entführt“ worden ist (Lesen Sie Band 1!) Es wäre allerdings keine Fantasy-Welt, wenn das in ein, zwei Romanen zu bewerkstelligen wäre. Dazwischen werden eine Reihe weiterer Charaktere erscheinen, so dass der Handlungsrahmen beliebig erweiterbar ist.

 

Jörg: Das sollte genügen, um die Leser auf Deine neue Reihe einzustimmen! Und zum Schluss - Hast Du ein Lebensmotto und/oder ein Lieblingszitat, das Du mit den Lesern teilen möchtest?

 

Da stellst du mich vor eine schwierige Frage, denn wenn ich mich beschränken muss, bedarf es einer scharfen Überlegung.

 

Zitat: Es wurde genug geredet, lasst uns ein wenig zuhören.

 

Ich bin ein Gegner, jedes Problem solange zu zerreden, bis die ursprüngliche Frage in Vergessenheit geraten ist. Was ich damit sagen will, zuhören bringt oftmals mehr. Es ist nicht sinnvoll, die Meinung eines anderen zu verteufeln, nur weil sie von einem anderen kommt. (Klingt eigentlich logisch, aber ... hört einfach einmal den anderen zu, dann wisst Ihr, was ich meine.)

 

Jörg: Roland, danke für das kleine Interview.

 

c, Interview und Bilder by Roland Heller & Edition Bärenklau 2019

 

Wir beide in Tirol - Sommer 2019

Roland Heller, ca.1990

Roland Heller, ca. 1981 - die ersten Western-Hefte werden geschrieben...

Roland Heller, 1973 - Die Matura ist geschafft und es geht ab nach Kanada.