Interview Westernsparte Bärenklau mit Alfred Wallon

 

Das Interview führte Antje Ippensen

 

 

 

 

 

Anlässlich der Expansion des Westernprogramms der Edition Bärenklau sprach Antje Ippensen vom Verlag Edition LeseSpaß mit Alfred Wallon, dem zuständigen Ressortleiter für die Sparten „Western & Abenteuer“

 

 

 

AI:

 

Es tut sich viel in Sachen Western bei der Edition Bärenklau. Ein Jahr ist vergangen, und man kann mittlerweile auf mehr als 100 veröffentlichte Westernromane zurückblicken. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

 

 

 

AW:

 

Wahrscheinlich sind es bald schon über 200, und weitere, noch zu bearbeitende Western im hohen dreistelligen Bereich liegen noch vor uns. Aber zurück zum Thema. Ganz einfach – ich bin mit Western aufgewachsen und habe in den letzten 45 Jahren bestimmt mehr als 2.000 Western gelesen und teilweise selbst gesammelt, lange bevor ich daran dachte, selbst einmal als Schriftsteller tätig zu sein. Ich kenne jede Westernserie, die seit 1970 in Deutschland erschienen ist und kann mir demzufolge ein sehr genaues Bild machen. Ich habe es immer bedauert, dass Mitte / Ende der 80er-Jahre die bekannten Heftromanverlage ihr Westernprogramm deutlich gekürzt haben und dass viele tolle Serien dann vom Markt verschwanden. Insbesondere der Marken-Verlag hatte da sehr viel Potenzial.

 

 

 

AI:

 

Und daran haben Sie sich erinnert, als Sie zur Edition Bärenklau gestoßen sind?

 

 

 

AW:

 

Zu Beginn noch nicht – ich war erst einmal zur Genüge damit beschäftigt, eine Werkausgabe meiner eigenen Romane bei der Edition Bärenklau an den Start zu bringen (wie z.B. meine historische Westernserie SAN ANGELO COUNTRY). Der Verleger Jörg Munsonius und ich kennen uns seit mehr als 20 Jahren und haben schon so einige gemeinsame Ideen entwickelt. Als sich dann Anfang 2015 herausstellte, dass die Nachfrage nach Western eBooks vorhanden ist, haben wir gemeinsam überlegt, wie wir dies bewerkstelligen können. Wir begannen, Kontakt mit entsprechenden Autoren oder deren Erben aufzunehmen.

 

 

 

AI:

 

Werner Dietsch alias Glenn Stirling ist sicherlich einer der wichtigsten Eckpfeiler im Programm der Edition Bärenklau. Wie gelangten seine Romane zu Ihnen?

 

 

 

AW:

 

Ganz einfach – ich kannte Werner Dietsch noch persönlich und habe in den 80er-Jahren selbst als Autor für den Marken-Verlag gearbeitet. Er war damals mein zuständiger Lektor, und ich habe viel gelernt von ihm. Nach seinem Tod haben wir Kontakt mit den Erben aufgenommen, insbesondere mit seinem Sohn Olaf Dietsch, mit dem wir dann einen Vertrag über das Lebenswerk seines Vaters schlossen.

 

 

 

AI:

 

TEXAS WOLF, TEXAS MUSTANG, 320 PS-JIM – und jetzt ganz neu CIRCLE C-RANCH. Allein drei Serien, bei denen Werner Dietsch federführend war?

 

 

 

AW:

 

Ja, deshalb können wir diese Serien ja jetzt auch alle neu an den Start bringen. Und da der Autor Horst Weymar Hübner ebenfalls für den Marken-Verlag als Autor tätig war und an einigen dieser Serien mitgeschrieben hat, haben wir genügend Stoff, um diese auch mit Leben zu füllen. Der Dritte im Bunde ist Dietmar Kuegler, der ebenfalls einige Romane zu TEXAS WOLF und 320 PS-JIM beigetragen hat. Wir sind sehr stolz darauf, dass auch er uns diese Romane anvertraut hat.

 

 

 

AI:

 

Was sind das genau für Serien?

 

 

 

AW:

 

TEXAS WOLF und TEXAS MUSTANG sind sogenannte „Tierwestern“, die im deutschen Westernbereich eine lange Tradition haben. PUMA-TOM von F.C.Wobbe oder die Conny Cöll-Romane von Konrad Kölbl sowie TOM SULLIVAN von Glenn Patton. Bei letzterem Autor handelt es sich ebenfalls um ein Pseudonym, das Werner Dietsch genutzt hat.

 

 

 

AI:

 

Und er war auch im Bereich der Abenteuerromane aktiv? Reden wir mal von 320 PS-JIM, ZWEI TEUFELSKERLE und TURBO-KING?

 

 

 

AW:

 

320 PS-JIM war die erste deutsche Trucker-Serie. Wer hat sie konzipiert? Werner Dietsch. Und Dietmar Kuegler war hier maßgeblich als Autor beteiligt. Seine Romane in dieser Serie sind absolute Highlights. Wir bringen die Romane beider Autoren innerhalb dieser Serie. ZWEI TEUFESKERLE war ein Ableger, wenn man so will eine Hommage an die TV-Serie „Ein Colt für alle Fälle“ mit Lee Majors. Auch hier war Dietmar Kuegler mit dabei. Und wenn wir schon über Dietmar Kuegler reden, so sollen natürlich auch seine Romane um das Halbblut CHACO erwähnt werden, die mich als Leser schon in den späten 70er-Jahren fasziniert haben. Höchste Zeit, dass sie nun wieder verfügbar sind.

 

Und ganz neu an den Start geht in diesen Tagen CIRCLE C-RANCH. Und wieder war hier Werner Dietsch die treibende Kraft. Zusammen mit Dietmar Kuegler und anderen TOP-Autoren wurde hier eine tolle Ranchwesternserie geschaffen. Wer die TV-Serie HIGH CHAPARRAL noch kennt, der weiß, was ihn hier erwartet. Da diese Serie auch der Auslöser war, dass ich 1980 meinen ersten Western schrieb, hat sich mit der CIRCLE C-RANCH auch ein persönlicher Wunsch von mir erfüllt. Denn ich kenne diese Romane natürlich von früher und bin besonders stolz darauf, dass wir die besten Romane veröffentlichen..

 

 

 

AI:

 

Ist noch mehr in Planung?

 

 

 

AW:

 

Ja, aber darüber sollten wir zu einem späteren Zeitpunkt reden, wenn dann weitere Serien kommen. Werner Dietsch war sehr produktiv. Nur um mal ein paar Namen von Serien zu nennen, an denen er beteiligt war: TOM SULLIVAN, BIG JOE, BILLY JENKINS, TOMBSTONE, UNION PACIFIC, FEUERROSS. Es liegt viel Arbeit vor uns. Aber zunächst gilt es, noch einige rechtliche Dinge zu berücksichtigen. Alles zu seiner Zeit.

 

Und in der Zwischenzeit unterstützen uns natürlich auch weitere Autoren wie Jasper P.Morgan, Thomas Tippner, C.C.Slaterman, Timothy Kid und A.F.Morland mit spannenden Western. Dazu kommen auch noch viele Romane des großartigen Peter Dubina, der für mich persönlich eine große Inspiration war. Und natürlich auch mein Freund und Kollege Leslie West mit seinen außergewöhnlichen KIT CARSON-Romanen.

 

Wir betreten aber auch Neuland, indem wir englischsprachige Originale veröffentlichen sowie erstmalig Übersetzungen von englischen und amerikanischen Western. Im Bereich des Heftromans müsste so etwas in den letzten 20 Jahren eher die Ausnahme gewesen sein.

 

AI:

 

In den besagten und weiter oben erwähnten Serien haben auch noch andere Autoren mitgeschrieben. Was ist mit deren Romanen?

 

 

 

AW:

 

Wir können nur die Romane der Autoren veröffentlichen, deren Rechte wir haben. Es ist zwar traurig, wenn ich das so sage, aber es kommt immer wieder vor, dass bestimmte Autoren bzw. deren Erben einfach nicht mehr wollen, dass die betreffenden Romane wieder veröffentlicht werden. Da können wir nichts tun, sondern müssen es akzeptieren. Auch wenn ich mich sehr darüber wundern muss. Denn einige verstorbene Autoren haben es verdient, dass man ihren Namen in Erinnerung behält und ihre Romane im Keller nicht verschimmeln lässt bzw. entsorgt. Ja, auch das wurde uns schon einmal gesagt.

 

 

 

AI:

 

Um solch ein mittlerweile recht umfangreiches Programm mit Leben zu erfüllen, bedarf es eines ziemlichen Engagements, oder?

 

 

 

AW:

 

Ich sehe das nicht nur als Arbeit, sondern auch als Erfüllung eigener Wünsche. Wenn Sie so wollen, dann erstelle ich gerade einen persönlichen digitalen Kiosk mit Romanen derjenigen Autoren, die ich in meiner Jugend selbst gerne gelesen habe. Dazu gehören auch die klassischen Western von Larry Lash, die nun bei der Edition Bärenklau und auch in der Edition LeseSpaß erscheinen. Ich gebe deshalb die Frage gleich mal an Sie weiter, Frau Ippensen: Wie ist denn Ihr Bezug zum Westerngenre, und welche Chancen sehen Sie hier?

 

 

 

AI:

 

Schon als Kind liebte ich Western, ich spielte Cowboy und Indianer mit meinen Spielkameraden oder mit Plastikfiguren. Später dann las ich auch Wildwestromane, wenn auch bestimmt nicht so viele wie Sie, Herr Wallon. Was mir von Anfang an – und auch jetzt wieder – besonders gefiel: wie detailliert und dicht alles war, wie unglaublich spannend und gut recherchiert fast alle Romane daherkamen – da konnte praktisch kein Film mithalten. Hinzu kam der eigene schöpferische Akt, wie immer beim Lesen … Und der Wilde Westen von Amerika war und ist für mich eine Sehnsuchtswelt. Wie für viele andere, schätze ich. Die Edition LeseSpaß hat bislang mehrere ROSS KINKAID-Romane herausgegeben, hinzu kommen jetzt weitere von GLENN STIRLING und natürlich LARRY LASH. Echte Classic-Juwelen. Sie sprechen einmal das „Ur-Publikum“ an, Leser, die mit Western aufgewachsen sind und nun entdecken, wie super es ist, Dutzende Romane auf einem leichten E-Reader zu transportieren und in den Urlaub mitzunehmen … zum anderen kann ich mir gut vorstellen, dass auch neue Leser hinzukommen: einmal wegen des, nennen wir ihn einmal, „Retro-Charmes“ und zum anderen, weil es einfach gute, spannende Geschichten sind. Zeitlos.

 

Auch wenn einige der damaligen Heftromanverlage heute nicht mehr existieren, so befinden sich doch etliche Perlen unter den damaligen Western, die es wiederzuentdecken gilt. Und wenn wir es nicht machen – wer dann? Die Edition Bärenklau und ich fühlen uns verpflichtet, solche Schätze am Leben zu erhalten. Wir bringen sie ans Licht der digitalen Welt: Perlen wie Sand am Meer. „Quantität mit Qualität“, das ist ein Grundsatz meiner Edition LeseSpaß. Mein Team und ich lieben Western und so behandeln wir sie auch. Und der Zuspruch, den wir von den Lesenden bekommen, ist sehr ermutigend.

 

Es taucht hin und wieder bei mir die verwunderte Frage auf: Und warum tun es andere nicht?

 

 

 

AW:

 

Ich müsste lügen, wenn ich jetzt sage, dass ich bedauere, dass wir die Einzigen sind. Sicherlich hat es auch damit etwas zu tun, dass ich im Lauf der letzten 40 Jahre einige sehr gute Kontakte zu anderen Westernautoren und deren Umfeld aufgebaut habe. Das hat uns sehr geholfen, unser Ziel zu erreichen – und ein Ende der Planungen ist noch lange nicht in Sicht.

 

 

 

AI:

 

Also weitere Expansion, oder?

 

 

 

AW:

 

Warum nicht, wenn es der Markt zulässt? Ich möchte erreichen, dass es auf dem Sektor der Western- und Abenteuerromane wieder eine solche Vielfalt gibt wie in den 70er und 80er-Jahren. Viele Entscheider in den verantwortlichen Etagen anderer Verlage kennen diese Serien nicht mehr und setzen entweder gebetsmühlenartig auf die 100. Neuauflage eines bestimmten Autors und dessen Romane oder drucken favorisierte Autoren alle fünf Jahre nach. Das wird auf die Dauer langweilig, und man darf sich nicht wundern, wenn das Interesse daran schwindet.

 

Wir wollen dagegen diese goldene Zeit wiederbeleben und geben auch neuen Autoren mit neuen Projekten eine Chance.

 

Der 2004 verstorbene amerikanische Westernautor William W. Johnstone hat einmal gesagt: „The West lives on. And as long as I live, it always will ...“ So in etwa könnte auch unser Motto lauten.

 

 

 

AI:

 

Vielen Dank für das Gespräch, Alfred Wallon.

 

 

 

AW:

 

Ich habe mich zu bedanken.