Klaus Störtebeker - Der Schrecken der Weltmeere

 

Nacherzählt von Thomas Ostwald

 

 

Mein Name ist Jan Hinnerk Mommsen. Ein ganzes Leben lang bin ich nun schon zur See gefahren. Solange ich zurückdenken kann, war ich auf schwankenden Schiffsböden unterwegs auf den Weltmeeren. Es war kein einfaches Leben, aber es hat mir gefallen. Als sich mir die Gelegenheit bot, bei den Vitalienbrüdern anzuheuern, habe ich sie ergriffen. Goedeke Michels war mein Kapitän, bis wir eines Tages mit Klaus Störtebeker und seinem Seeadler zusammentrafen. Ja, es war ein wirkliches Zusammentreffen, und die beiden Kapitäne waren sich überhaupt nicht grün. Das hat sich später geändert, und der alte Claas Runge, der damals unter Störtebeker gedient hatte, wurde mein bester Freund.

 

Eben kam er in den Blauen Hai gerollt und ist nun bei mir mit am Tisch, über dessen Platte er kaum hinübersehen kann. Claas hat beide Beine in einer mächtigen Seeschlacht verloren. Eine Kanonenkugel hat sie ihm weggerissen, und jeder an Bord gab keinen Pfifferling mehr für sein Leben. Als ich ihn in seinem Blut liegen sah, habe ich zugegriffen und mit einem Tauende die zerschmetterten Beine abgeschnürt, damit der arme Kerl nicht verblutete. Der Magister Wigbold hat ihm dann die Knochen durchgesägt, die Stümpfe versorgt und mit seinen Mitteln dafür gesorgt, dass Claas alles überlebt hat. Mit der Seefahrt war es nun vorbei für ihn, aber ein Zimmermann hat ihm einen Kasten mit Rädern aus Holz gefertigt, in dem sitzt er nun und rollt damit über die Straßen der Hafenstadt.

 

Und heute ist wieder unser Tag, bei dem wir uns vor dem Schietwetter, das draußen um die Häuser tobt, mit einem steifen Grog schützen und aufwärmen. Und dann erzählen wir uns gegenseitig die tollsten Lügengeschichten, so richtiges Seemannsgarn, wie man das heute gar nicht mehr kennt. Dann ist Claas Runge wieder jung und glücklich, seine Augen leuchten, und sein Mund mit den wenigen, schwarzen Zähnen bleibt gar nicht mehr geschlossen.

 

Ein paar der alten Geschichten kenne ich inzwischen auswendig und will sie hier einmal erzählen, damit sie nicht vollkommen in Vergessenheit geraten. Vor allem, wie einmal alles angefangen hat mit dem Klaus, als er noch der Junker Klaus von Winsfeldt war. Mit achtzehn Jahren hatte der hünenhafte Junge schon die halbe Welt unter seinem Onkel umsegelt, und niemand machte ihm mehr etwas vor!

 

Klaus Störtebeker - The terror of the oceans
Retold by Thomas Ostwald

My name is Jan Hinnerk Mommsen. I have been at sea all my life. For as long as I can remember, I have been on the seas, sailing on wobbly ships. It was not an easy life, but I enjoyed it. When the opportunity arose to join the Vitalien Brothers, I took it. Goedeke Michels was my captain until one day we met Klaus Störtebeker and his sea eagle. Yes, it was a real meeting, and the two captains did not see eye to eye at all. That changed later, and old Claas Runge, who had served under Störtebeker at the time, became my best friend.

Just now he came rolling into the Blue Shark and is now with me at the table, over whose top he can barely see. Claas lost both legs in a mighty sea battle. A cannonball tore them away from him, and everyone on board didn't give a hoot for his life. When I saw him lying in his blood, I grabbed hold and tied off the shattered legs with the end of a rope so the poor fellow wouldn't bleed to death. Magister Wigbold then sawed through his bones, tended to his stumps, and used his resources to ensure that Claas survived everything. His seafaring days were over, but a carpenter made him a wooden box with wheels, in which he now sits and rolls along the streets of the port city.

And today is our day again, when we protect ourselves from the sluggish weather raging around the houses outside with a stiff grog and warm up. And then we tell each other the most fantastic tall tales, real sailor's yarns, the likes of which are no longer known today. Then Claas Runge is young and happy again, his eyes shine, and his mouth with its few black teeth never closes.

I know a few of the old stories by heart by now and want to tell them here once, so that they are not completely forgotten. First of all, how it all began with Klaus, when he was still Junker Klaus von Winsfeldt. At the age of eighteen, the hunky boy had already sailed halfway around the world under his uncle, and no one could fool him anymore!

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